Retardierendes Moment

Montag, 16 April 2018

Aufgehängt

Am Montag Morgen, 16. April, wird nach 9 Tagen Bordleben tatsächlich das Rucksäckchen gepackt …, jedem eine Unterhose, ein T-Shirt, Ladegeräte für die Technik, …, rasch, rasch, Leinen los, und schon steht das Boot unter dem blauen Hebekran, schwebt über der Marina (#1, #2), wird auf einen Trailer gesetzt und soll repariert werden, während wir in Potsdam Hotel- und Kultururlaub machen. Schnelllebig ist das Sein, philosophieren wir. Wenn wir Glück haben, kommen wir am Wochenende los, und selbst dann wird es richtig sportlich, denn der Rhein halbiert auf den knapp 300 zu fahrenden Kilometern unsere Fahrgeschwindigkeit auf 4 km/h, der Mast muss am Standplatz noch heruntergenommen werden, und ein Besuch am Bodensee ist obligatorisch. Wir sind zu diesem Zeitpunkt noch optimistisch, dass alles klappen wird, und genießen die wenigen Tage Auszeit in Potsdam mit Temperaturen nahe der 30-Grad-Grenze.

Potsdam, Stadt der Schlösser und Gärten, erweist sich als weitläufige, für uns nie gesehene, einzigartige Anlage mit gepflasterten Alleen und grandiosen Straßenzügen, die inmitten einer für den Besucher noch einmal mehr im Frühling attraktiven Wald- und Flusslandschaft liegt. Wir lassen uns treiben im „Parkdenkmal Sanssouci“ mit dem Friedenskirchenensemble (#1, #2), dem Schloss (#1, #2), der Orangerie, Belvedere, dem Neuen Palais (#1, #2, #3) und dem Chinesischen Teehaus, dann im Holländischen Viertel (#1, #2) und Neuen Garten mit dem Marmorpalais und Schloss Cecilienhof (#1, #2), wo die Dreimächtekonferenz stattfand und Truman den Befehl zum Atombombenabwurf über Hiroshima gab.

Am Mittwoch um 15 h erreicht uns die frohe Botschaft, dass die Bootsreparatur am Freitag abgeschlossen sein soll. Also, auf geht´s mit Schmackes! Am Donnerstag noch ein Morgenspaziergang zu den Römischen Bädern und Schloss Charlottenhof mit den schönen Frauenbordüren (#1, #2) an der Kassettendecke und dann Etappenplanung für die 4 Kanäle bis in den Rhein: Elbe-Havel-Kanal, 56 km, Mittellandkanal, 326 km, Dortmund-Ems-Kanal, 93 km, Rhein-Herne-Kanal, 46 km, also für circa 530 Kanalkilometer.

Zweiter Abreiseversuch von Plaue am Samstag, den 21. April mit der Hoffnung auf ruhigere Wasser auf den Kanälen, ………………………………………………………………………………… nicht ohne ein weiteres retardierendes Momentchen zu erleben:

Am Freitag früh erneut ein Anruf des Verkäufers. Der Hydraulikspezialist sei inzwischen in Rostock gewesen, habe durch seine Beziehungen organisieren können, dass eine neue Schubstange aus seefestem Stahl innerhalb von 24 Std. gedrechselt worden sei, und bewirkt, dass die Dichtungen heute geliefert würden. Heute werde auch der Einbau fertiggestellt, doch müsse die Bodenplatte aus Stahl mit Silikon abgedichtet werden, das 24 Stunden aushärten müsse, bevor es mit Wasser in Berührung kommen dürfe. Also könne das Boot erst am Samstag Nachmittag wieder ins Wasser. Heißt für uns konkret, sofort im Schloss Plaue per Telefon ein Zimmer reservieren, im Hotel in Potsdam auschecken, rein in Bahn und Bus, 12.30 h Ankunft in Plaue. Der Spezialist, Bodo, ein in einem Mercedes-Bulli mit Bett, Ofen und Werkstatt umherziehender Freelancer und absoluter Crack in seinem Fach, gefällt uns gut, weil er professionell und verantwortlich arbeitet. Auch er bestätigt, dass wir, was seine Arbeit angehe, am Sonntag, den 22. April fahren könnten. Von Kosten unsererseits ist beim Verkäufer keine Rede. Selbstverständlich nicht, haben wir doch ein Boot „in technisch einwandfreiem Zustand“ gekauft, wie das Exposé sagt, und keinen Schrott. Und doch wussten alle in der Marina, dass die Hydraulik nicht funktionierte. Konnte sie ja auch nicht bei der von Korrosion zerfressenen Schubstange (#1, #2). Trotz allem wollen wir das Boot noch immer, ne, immer mehr, jetzt, wo seine Achillesferse Kiel repariert ist. Aber das Motorherz hyperventiliert immer ärger, obwohl es komfortabel auf Silentblöcken ruht, wie der Mechaniker behauptet. Wir werden immer misstrauischer …