Prolog

Freitag, 6 April 2018

Mit einem 5er BMW in 5 Stunden hinauf nach Plaue, wo das Boot liegt. Der Wagen zieht ab wie eine Rakete, Head-up-Display und piep, piep als Warnung vor allerlei Gefahren … von der Seite, von hinten, von vorn, von oben, von unten. Im Schloss Plaue, wo wir nächtigen, Klavierkonzertabend. Wir sind anders gepolt und essen im Fischerufer-Restaurant am Plauer See Wels und Zander. Anderntags, 7. April, zum Boot: Richtig vergammelt der Kahn, versifft, dreckig und vieles kaputt. Ogott, was für ein „Wasserlaster-Projekt“: Genauso aufwändig, genauso prinzipiell, genauso endlos in der Realisierung unserer Vision wie damals jeder der beiden Laster. Fazit: Wieder einmal stehen wir in jeder Hinsicht am Anfang. Ob wir uns freuen? Ja, scho´ e´ bisserl.

7. bis 12. April: Gewöhnung ans Bordleben, Entfernung von Müll und dem gröbstem Dreck, Knotenlehrgang, Anlegetechnik, Wendemanöver…, und Verena macht alles falsch, hat zu kurze Arme und Beine, um mit einem Schritt aufs und herunter vom Boot zu kommen, aber Tom echauffiert sich nicht, und so geht alles einigermaßen glimpflich ab. Und unsere Ratgeber, der eine Uli aus Offenbach und der andere aus US, liegen mit ihren Ratschlägen goldrichtig: Der aus OF empfiehlt, Kabelbinder und Tape mitzunehmen, wie sich herausstellt, außer Küchenrolle die 2 wichtigsten Utensilien an Bord. Und er baut uns einen USB-Stecker, um unser technisches Gerät zu laden. Ganz und gar unerlässlich. Der andere Uli aus US rät im Vorhinein, die Manöver vorab abzusprechen, sich trotz offensichtlich fehlender Professionalität von der Schar der Hafenzuschauer nicht nervös machen zu lassen und sich des Übens nicht zu schämen.

Die Tage fliegen dahin: Der erste Vormittag vergeht mit Bootsübernahme, Dieselbesorgung, Wassertanken (Reste des Frostschutzmittels verbleiben im Tank, geht schon, das Kaffeewasser ist ja nur hellblau gefärbt!), Einweisung, Testfahrt und Orientierung, am zweiten ist ein Mechaniker an Bord, um die elektrische Abschaltung des Volvo-Penta-Motors durch eine mechanische zu ersetzen, nachmittags unsere Jungfernfahrt. Geht gut. Am Montag Vormittag Proviantierung, der Nachmittag ist dahin mit der Abgabe des Leihwagens in Potsdam und der Rückreise nach Plaue mit S-Bahn, Regionalbahn und einem 8 km langen Fußmarsch am Stahlwerk, den 30er-Jahre-Villen der Werksleitung, Bunkern und schließlich an der Pulverfabrik vorbei. Am Dienstag zwei weitere Jungfernfahrten, denn die Entjungferung der schwergewichtigen „Akina“ ist nicht mit einem Mal getan, geschieht mehrmals, allmählich und muss hartnäckig betrieben werden. Natürlich geht das nicht ohne Verletzungen ab: Die Schrammen an Bug und Heck zeugen davon. Und warum hängt der Bootsschlüssel eigentlich an einem Stück Kork? Ei, damit er nicht wech is, wenn´r ins Wasser fällt.

Segel-Vokabular wird wieder aktiviert: Fender, Leine (nicht Seil), Backbord (die linke Bootsseite), Steuerbord (die rechte, das Steuer ist mittig, also keine Memorierhilfe), auf Slip legen, belegen, Klampe, Poller, Spring etc. Das alles bei traumhaftem Frühsommerwetter von um die 20 bis zu 24 °. Und die Havel ist morgens schön milchig in ihrem Lauf, dann blau, schließlich schwarz; die Hausboote, die in der Marina liegen und bis Ende September ausgebucht sind, stehen wie gelbe, grüne, graue und rote Farbwürfel in der Flusslandschaft.

Am Mittwoch zu Übungszwecken Ausflug nach Brandenburg. Beim Ablegen die Erfahrung, dass wir einen aufs Notwendigste reduzierten, eindeutigen Sprach- bzw. Befehlscode zwischen uns brauchen. Und Verena muss zu Tom sprechen, nicht zum Bug. Ablegemanöver gelingt vom Prinzip her perfekt, aufgrund der Kommunikation und Anspannung beider Menschen im Abschluss aber nur bedingt. Dann Karten der Unteren Havel und Brandenburger Niederhavel lesen, parallel das Tablet mit der Navigationsapp Navionics einsetzen, Außen- und Innensteuerstand ausprobieren, es könnte ja regnen, Betonnung richtig interpretieren, Wind und Strömung einschätzen, am Slawendorf, einem sogenannten Wasserwanderrastplatz mit angeschlossenem Museum und historischem Camp, anlanden, Gang durch Alt- und Neustadt, am Altstädtischen Rathaus mit Roland vorbei, schließlich im Abendsonnenschein zielstrebig zur „Werft“, um einen Aperol durch den schwarzen Strohhalm zu ziehen. Dann zurück zum Boot. Wunderschön, am Fluss zu liegen mit Blick auf die Turnhalle und das Schwimmbad bei Gorgonzolaspaghetti mit Schalottensahnesoße und Weißwein. Anderntags wieder zurück nach Plaue. Wasser steht in der Bilge; der Mechaniker muss noch ´mal ´ran und alle Verbindungen einschließlich Wellendichtring nachziehen. Und mit der neuen Vakuumpumpe kann man alles Mögliche absaugen …